Nachlese 12 Nordbahnofvorlesung: Nordbahnhof klimafit für die Klimakrise machen!

Einstieg und Hintergrund

Wien wird heißer, um 8 Grad laut einer Studie der ETH Zürich bis 2050. Diesen Juli lag die Höchsttemperatur bei 37 Grad und könnte 2050 auf 45 Grad steigen. Damit reiht sich Wien ein mit Athen, Rom, Zagreb, Zürich – Städte die sich in Zukunft stark aufheizen werden. Bereits 2017 gabe es mehr Hitzetote als Verkehrstote, genau gesagt 586 im Vergleich zu 414. Jeder frühzeitige Verlust eines Menschen ist tragisch. 2017 erzeugte der Autoverkehr in Deutschland beispielsweise einen CO2-Ausstoß von 100 Millionen Tonnen. Somit treibt der Autoverkehr die Erhitzung in unseren Städten voran und ist daher auch für die Hitzetoten mitverantwortlich siehe futurezone.at und crowtherlab.pageflow.io.

Wie wollen wir unsere Städte haben? Ohne Kühlung werden bald viele Wohnungen unbewohnbar werden, wenn es keine radikale Fokussierung in der Stadtplanung, im Bauwesen und in der Ausgestaltung des öffentliches Raumes gibt. Kühle Stadt muss als Vorgabe an die erste Stelle gereiht werden. Denn wie wollen, nein, wie müssen wir unsere Gebäude und den Raum dazwischen gestalten, dass wir uns in den kommenden Jahrzehnten noch wohlfühlen in unserer Stadt? Es braucht viele kleine abgestimmte Maßnahmen und parallel auch große Würfe für das ganze Stadtgebiet!

Vielen herzlichen Dank an unsere Experten, für die tollen Inputs und vor allem für die Zeit den Abend mit zu gestalten! Vielen herzlichen Dank auch an das Publikum sagen Judith Schübl, Beatrice Stude und Irmi Walli für Lebenswerter Nordbahnhof.

Eines wird an dem Abend schnell klar: Die disziplinenübergreifende Diskussion und Einbindung von vielen Beteiligten ist bereichernd für alle, denn sie bringt Lösungsansätze als auch Hintergründe näher und gegenseitiges Verständnis. Nach Kurzvorträgen teilten wir uns zu Tischgesprächen auf. Die Erkenntnisse und Fragen aus diesen Tischgesprächen wurden im Anschluss allen präsentiert.

Moderation
Beatrice Stude und Judith Schübl von der IG Lebenswerter Nordbahnhof moderierten den Abend

Wenn es an drei Tagen hintereinander heiß ist, das heißt über 30 Grad, dann sprechen wir von Hitzewellentagen. Ein einzelner Tag mit mehr als 30°C heißt Hitzetag. Das waren vor Jahrzehnten eben oft nur diese wenigen Tage. Heute haben sich diese Hitzewellen auf Wochen ausgeweitet. Wenn es nachts über 20 Grad hat, dann sprechen wir von Tropennächten.

“Die Anzahl der Hitzetage und auch die Zahl der Tropennächte nehmen weiter zu, z. B. muss man in Wien in einem durchschnittlichen Sommer mit 16 Tropennächten rechnen, im Sommer 2017 waren es 28!” 

Bewegte Luft kühlt, auch wenn sie warm ist empfinden wir sie als kälter. Windkomfort und Durchlüftungsschneisen, um Hitzestau zu vermeiden oder die Hitze in der Nacht abzutransportieren sind wichtige Parameter, die helfen, die Gebäude in der Nacht wieder abzukühlen. Diese Schneisen sind teils auch zur optimalen Durchlüftung von Bäumen frei zu halten. Grün – Bäume, Grasflächen und viele weitere Bepflanzungen – kurz, Natur in der Stadt, trägt zur Verschattung und Kühlung von Gebäuden bei und sorgt dafür, dass wir uns im Straßenraum wohl fühlen.

Wie klimafit ist das Nordbahnhofviertel im Sommer?

Befragung - ist das Nordbahnhofviertel klimafit?
Als Einstieg haben wir bei allen ankommenden Teilnehmer*innen des Abends abgefragt, wie sie den heurigen Sommer (2019) im Nordbahnhofviertel erlebt haben.

Für die meisten war es zu heiß wie auf dem Foto zu erkennen ist.

Die Gründe dafür waren folgende:

  • zu wenig Bäume und vorhandene Bäume oft zu klein
  • zu wenig Wiese
  • zu viel Beton bzw. Versiegelung, vor allem am Austria Campus und in der Vorgartenstraße
  • oftmals fehlende Außenbeschattungen
  • nächtliche Hitzerückstrahlung durch zu viel Versiegelung

Zwei Personen gaben an, dass die Wohnumgebung angenehm kühl war. Als Gründe dafür wurde folgendes angegeben:

  • Wohnung richtig gelüftet (nur in der Nacht) und querlüftbar
  • Sonnensegel über Balkon
  • Balkon begrünt
  • grüner Innenhof

Folgende Wünsche und Anregungen erhielten wir bei dieser Befragung:

  • Gstettnbewuchs auf Baumscheiben und Grünstreifen belassen
  • Wiesen nicht tot mähen
  • Dachbegrünungen ausweiten
  • Begrünte Loggien – Anreize für Bewohner*innen
  • weniger befestigte Straßenfläche
  • Außenjalousien anbringen
  • Fassadenbegrünungen auch bei bestehenden Häusern nachrüsten
  • versiegelte Flächen reduzieren, nachträglich aufreißen und begrünen
  • alle Baumscheiben und (Flach-)Dächer begrünen
  • Auto-Parkplätze nur noch unterirdisch vorsehen
  • Straßenbahngleise begrünen, wo sie nicht vom Auto- und Lkw-Verkehr befahren werden müssen

Interessanterweise gab niemand an, gegen die Überhitzung selbst eine Klimaanlage angeschafft oder im Einsatz zu haben. Durch Gespräche mit Nachbar*innen wissen wir allerdings, dass schon viele Klimageräte im Viertel im Einsatz sind und Viele überlegen sich eines anzuschaffen. Dabei wären hier größere Würfe auch besser, Heizsysteme könnten für das ganze Haus umgerüstet werden und im Sommer kühlen, bspw. Wärmepumpe (www.baunetzwissen.de) oder Kombination von Fernwärme mit Fernkälte, die von Wien Energie laut ihrem Bot nur für Großkunden , nicht für Privatkunden angeboten wird. Warum sind Häuser mit 100 oder 200 Wohneinheiten keine Großkunden? Denn mit der prognostizierten Erhitzung Wiens in den kommenden Sommern wird das nicht nur für Dachgeschosse notwendig sein, vor allem auch deshalb, weil immer mehr Menschen in Voll- oder Teilzeit von zu Hause aus arbeiten und dafür einen kühlen Kopf brauchen.

Nach den Kurzinputs der geladenen Experten bildeten wir drei Arbeitsgruppen um uns mit unseren Ideen und Fragestellungen detaillierter auseinanderzusetzen.  Die Ergebnisse haben wir im folgenden für euch zusammengefasst.

Fassaden- und Dachbegrünung

Jürgen Preiss – MA 22 Umweltschutz, Stadt Wien
Jürgen Preiss von der MA 22 Umweltschutz, Stadt Wien beantwortete Fragen zum Thema Fassaden- und Dachbegrünung

Dachbegrünung

Ein großer Wurf wäre alle Flachdächer zu begrünen oder jedenfalls hell anzustreichen, denn das würde laut einer Studie die Hitzetage in Wien um ein Drittel reduzieren. Das würde die Lebensqualität aller Menschen in Wien steigern (nachhaltigwirtschaften.at)! Acht Zentimeter, das absolute Minimum an Dachaufbau bringen bereits 50 Prozent Niederschlagsrückhalt am Dach. Jede Dachbegrünung lohnt! Mehr Aufbau hat natürlich bessere Kühleffekte für die darunterliegenden Wohnungen. Ist es leicht ein Kiesdach in ein Gründach umzuwandeln? Das kommt ganz auf den Dachaufbau an. Ein Umkehrdach ist schwierig, hier liegt die Dämmung auf der Dichtung. Bei vielen Dächern ohne Umkehrdach kam zur sicheren Abdichtung eine doppelte Bitumenlage zum Einsatz, hier ist ein Austausch von Kies auf Dachbegrünung vergleichsweise leicht und mit relativ wenigen Kosten verbunden. Als Richtwert können hier 10 bis 15 Euro/m2 angesetzt werden. Dafür gibt es Förderung . Gefördert wird jeder Zentimeter Aufbau mit 2 Euro/m2, max. 20.000 Euro. Bei minimalem Aufbau von 8 Zentimeter reicht die 100 prozentige Förderung für 1.250 m2 Dachfläche. Wenn möglich ist ein höherer Aufbau wünschenswert.

Eine Dachbegrünung kann idealerweise auch mit einer Photovoltaikanlage (PV) kombiniert werden. Hier ist besonders auf die Wuchshöhe der Bepflanzung für die Sonneneinstrahlung und auf die ausreichende Versorgung der Pflanzen mit Niederschlagswasser zu achten.

Fassadenbegrünung und Gebäudeverschattung

Ein größerer Wurf wäre einen ganzen Straßenzug mit Fassadengrün zu begrünen. Wenn 60 Prozent der Fassaden einer Straße auf beiden Seiten bis 9 Meter Höhe begrünt werden kann dies eine Reduktion der gefühlten Temperatur von bis zu sage und schreibe 13 Grad erreichen! Das gilt für den Straßenraum. Für Kühle in der Wohnung sind baulicher Sonnenschutz und Außenjalousien die effektivsten Maßnahmen (www.wien.gv.at)

Die Sommertauglichkeit wird mit dem Standard 21. Juni abgeprüft. Bauphysikalisch sind die Vorgaben für die neuen Gebäude seitens der Bauträger untersucht und eingehalten. Die Vorgaben für die bauphysikalische Untersuchung, bei der der Heizwärme- und Kühlbedarf ermittelt wird, sind allerdings überholt und zu aktualisieren. Gemäß ÖNORM B 8110-3 liegen den Anforderungen Außenklimazustände eines durchschnittlichen Sommers zugrunde. Zur Berechnung des Tagesganges der operativen Temperatur wird von einem Außenluft-Temperaturverlauf ausgegangen, der für einen Tag definiert und als sich periodisch wiederholend angesetzt wird, dabei entspricht die Periodenlänge 24 Stunden. Als Datum für die Berechnung wird der 15. Juli eingesetzt in verschiedenen Regionen. Damit sind einerseits Hitzetage und -lagen mit urbanen Hitzeinseln nicht abgedeckt und andererseits wird eine zu erwartende globale Temperaturzunahme nicht berücksichtigt. Dies kann zukünftig zu einer Verschlechterung der Sommertauglichkeit führen, da anzunehmen ist, dass der genormte Komfortbereich immer häufiger überschritten wird. Sommertauglich ist ein Raum dann, wenn er während einer Hitzeperiode (Kyselitage) nicht zu „überhitzen“ droht. Demnach sollte die Kühlenergie-Bedarfsberechnung auf Basis von Hitzetagen erfolgen. Unser Vorschlag ist jedenfalls Außenverschattung für alle Fenster verpflichtend vorzuschreiben.

Gibt es so etwas wie Architekt*innenschutz?

Das war eine Frage beim Tischgespräch, da Bewohner*innen Maßnahmen an ihrer Fassade verweigert werden – mit Verweis auf den Architekt*innenschutz. Unser Vorschlag ist, alle an einen Tisch zu bitten. Die meisten Architekt*innen lieben Herausforderungen und es finden sich immer ansprechende Designlösungen, die Gebäude verschatten und Gebäudegrün ermöglichen und dadurch das Gebäude langfristig bewohnbar machen ohne energiefressende Kühlgeräte einzubauen. Denn die Anbringung von Split-Kühlgeräten wäre wirklich eine Verschandelung der Fassade!

Apropos Architekt*innen und Architektur. Was fehlt ist der ganzheitliche Ansatz. Die Architekt*innen müssen den Freiraum mitdenken. Nein, nicht planen, aber wissen was z. B. ihre Fassade für Auswirkungen auf Straßenbäume hat. Die Wärmeabgabe und Reflexion von Fassaden ist ein wichtiger Faktor, ob Straßenbäume langfristig überleben können. Einfach nur weiße Fassaden vorzusehen ist nicht die Lösung, da diese eine hohe Reflexion haben, die Aufgabe ist weitaus komplexer. Hier ist derzeit das Grundproblem, dass die Zuständigkeiten an der Grundstücksgrenze wechseln und zumeist keine oder zuwenig Abstimmung erfolgt. Hier bräuchte es einen Leitfaden der Stadt Wien, der eine gesamtheitliche klimasensible Planung auf unterschiedlichen Maßstabsebenen vorsieht. Ansätze dafür sind im Urban Heat Islands Strategieplan enthalten z. B. die Beschreibung von Umsetzungsmöglichkeiten auf Ebene der städtebaulichen Masterplanung unter Anwendung von Modellierungen. Solche Verfahren werden laufend weiterentwickelt und müssten in das Handlungsgeschehen der Stadtentwicklung- und Stadtplanung verstärkt verbindlich eingesetzt werden.

Bäume und Straßenräume

Dominik Scheuch – YEWO LANDSCAPES e.U.
Dominik Scheuch von YEWO LANDSCAPES e.U. diskutierte mit uns zum Thema Bäume und Straßenräume

Das Fachkonzept Öffentlicher Raum, das es seit 2018 gibt, sieht ein Minimum von 40 Prozent Verschattung des Straßenraumes mit Baumkronen vor. Maßgebend ist der Kronendurchmesser, wenn die Bäume 30 Jahre alt sind. Die Koppstraße hat zum Beispiel eine Verschattung von 70 Prozent. Die Praterstraße dürfte aufgrund ihrer Breite infolge des Mittelstreifens etwas weniger Verschattung als die Koppstraße aufweisen.

Die Bäume in der Stadt kämpfen oft ums Überleben. Sie haben häufig zu wenig Platz für ihre Wurzeln. Ideal wäre Erdreich entsprechend ihrem ausgewachsenen Kronendurchmesser oder ein Minimum von 9 Quadratmetern laut Angaben der MA 42, der Wiener Stadtgärten. Darüber hinaus brauchen die Wurzeln Luft zum Atmen und sollte das Erdreich für die Wurzeln nicht überdeckt bzw. versiegelt werden. Den Bäumen ist wie auch uns im Sommer oft zu heiß. Die Liste der geeigneten Stadtbäume wird von der MA 42 stetig aktualisiert. Ahorn hält es gar nicht mehr in der Stadt aus. Linden tun sich mit der Hitze mittlerweile auch schwer. Platanen können gut mit der Hitze, sind aber feuchteempfindlich. Der Zürgelbaum aus Kleinasien ist sehr resilient, d. h. widerstandsfähig. Da kommt gleich die Frage auf, was hat das für einen Einfluss auf unsere heimische Insektenwelt? In der Bruno-Marek-Allee wurde die Gleditsia ausgewählt, weil sie einerseits aufgrund ihrer dicken Wurzelhaut die Trockenheit verträgt und recht tolerant gegenüber Salz ist und andererseits eine wichtige Bienen- und Schmetterlingsweide im innerstädtischen Bereich darstellt.

Viele Bäume sterben auch oft den Strahlungstod. Die Zellen in den Bäumen erhitzen sich infolge der Sonneneinstrahlung so stark, dass der Baum abstirbt. Der weiße Anstrich am Baumstamm reflektiert die Strahlung und verschafft so Schutz, vor allem in der Übergangszeit von kalten Nächten und bereits sonnigen Frühlingstagen. Es ist jedoch eine große Herausforderung, diesen Schutz allen Bäumen in der Stadt zu geben, vor allem ist es eine Ressourcenfrage.

Ein Baum braucht in der Woche ca. 600 Liter Wasser. Dies zeigt schnell auf, dass Bewässerung einzelner Bäume während Hitzeperioden nicht die Aufgabe der Nachbarschaft vor Ort sein kann. Zur Bewässerung der Stadtbäume ist das Schwammstadt-Prinzip in der Seestadt im Test und sollte schnell an weiteren Orten – wie der Bruno-Marek-Allee – ausprobiert werden. Hier fungiert ein größerer Teil des Untergrundes als Schwamm, um die Bäume lange mit Wasser versorgen zu können.

Streusalz ist für die Bäume problematisch, da sie im Winter mit Tausalz regelrecht überflutet und dadurch angegriffen werden. Die Baumscheibe sollte vom Gehsteig durch ein kleines Niveau (z. B. einfassende Pflasterung) getrennt sein, damit im Winter das versalzte Niederschlagswasser nicht in die Baumscheibe abrinnen kann. Dadurch wird aber in wärmeren Monaten die Zufuhr des Regenwassers vom Bürgersteig unterbunden. Derzeit gibt es intensive Forschung auf der BOKU und der HBLFA Schönbrunn, wie man mit den Substraten, der Wasserversorgung und etwaigen „Wiener Lösungen“ (Zuleitung Wasser im Sommer und Wegleitung im Winter) umgeht. Eine Umsetzung würden wir uns wünschen! Alternativ ist generell der Einsatz von Streusalz zu hinterfragen, da dies alles in unser Grundwasser gelangt. Split wäre die bessere Wahl aus Sicht der Bäume. Aber der Einsatz von Split wirkt sich auf die Staubbelastung auf den Straßen aus und erfordert mehr Personal bei den Hausbetreuer*innen, die diesen sobald es wärmer wird wieder wegkehren müssen.

Baumscheiben und Straßengrün, jenes Grün rund um den Straßenbaum, bietet viele Vorteile:

  • schützt vor Sonneneinstrahlung und hält damit das Wurzelsystem des Baumes kühl
  • Gras und Blumen Durchwurzeln den Erdraum und belüften die Baumwurzeln
  • bei Starkregen kann Regenwasser besser aufgenommen werden
  • mehr Biodiversität, Lebensraum und Nahrungsangebot für Insekten

Kritik gab es in den Tischgesprächen zum Einen für die Baumscheiben am Bank Austria Campus, die mit schwarzem bzw. grauem Kies bedeckt sind, als auch zur Vorplatzgestaltung der Wirtschaftskammer. Diese Flächen mit mehr Grün aufzuwerten und zu verschatten ist ein großer Wunsch der Bürger*innen!

Zum Anderen wurde das oftmalige und sehr kurze Mähen der Rasen- bzw. Grasflächen im Nordbahnviertel kritisiert. Durch den kurzen Schnitt kann sich in der obersten Erdschicht die Feuchtigkeit weniger gut halten. Als Folge heizen sich die Böden mehr auf, die Gräser verdorren und gleichzeitig gehen Lebensraum und Nahrungsangebot für Insekten verloren.

Mehr Grasflächen als Blühwiesen entlang breiter Gehwege, sowie mehr Bäume auf diesen Grasflächen, z. B. am Bank Austria Campus und Am Tabor, vor allem der Straßenzug vor Hofer, sind unbedingt erwünscht. Wiesen mit wilden, heimischen Pflanzen wie Klee, Schafgarbe, Dost, Wilde Karotte, Disteln, Königskerzen etc. sind standortangepasst, insektenfreundlich und müssen nicht gegossen werden. Auf der Gstettn wachsen und gedeihen sie ohne Zutun. Die Pflege könnte minimiert werden auf zwei Mahden pro Jahr. Konzepte dazu gibt es bereits in anderen Ländern sowie auch in einzelnen Gemeinden in Österreich (stadt-zuerich.ch). Gewünscht ist eine entsprechende pflegearme „Wiener Mischung“ für Baumscheiben und Grasflächen die auch außerhalb vom Grätzl eingesetzt wird. Ausreichend Wurzelraum für Bäume und Sträucher können Hügellandschaften bieten, wie sie beispielsweise im Viertel Zwei umgesetzt sind.

Zusammengefasst bereitet unseren Stadtbäumen Probleme:

  • Hitze, infolge der Sonneneinstrahlung und Reflexion, sowie Hitzeabstrahlung von Häusern und Böden
  • zu wenig Niederschlag bzw. Bewässerung
  • Streusalz im Winter
  • zu geringer Wurzelraum
  • zu viel Versiegelung, Wurzeln können nicht atmen

Beispiel Bruno-Marek-Allee (BMA)

Im nördlicheren Teil der Allee zwischen Am Tabor und Taborstraße ist das Büro von Dominik Scheuch zuständig. Mit viel Engagement und Ideenreichtum wurde in der Straße mehr Platz für Menschen und mehr Bäume geschaffen. Die ursprünglich vorgesehenen 26 Bäume konnten mehr als verdoppelt werden: auf 62 Stadtbäume! Hier haben Planer*innen, Verantwortliche aus der Bezirksvertretung und Mitarbeiter*innen der Stadt Wien letzten Endes an einem Strang gezogen. Vorrangig helle Flächen helfen hier im Sommer den Straßenraum angenehm kühl zu halten. Es kommen jedoch punktuell bewusst gesetzt dunkelgraue Materialien (Möbel und Steine) zum Einsatz, die uns helfen im Frühjahr und im Herbst Wärme zu tanken. Schließlich haben wir mehr Jahreszeiten, als nur (Hitze-)Sommer in Wien.

Schulen

Schulen war ein generelles Thema, vor allem weil für den gerade in Bau befindlichen größten Campus Wiens im Nordbahnviertel keine Maßnahmen, weder Dach- noch Fassadenbegrünung vorgesehen sind. Eine vergebene Chance, die Vorbildwirkung hätte haben können. Die Stadt Wien sollte hier mit Gebäuden in ihrem Einflussbereich Vorreiterin sein! Nachbegrünung bei neuen Gebäuden ist oft schwerer, da u. a. vorgehängte Fassaden dies im Vergleich zu Altbestandsgebäuden erschweren. Es bräuchte ein Forschungsprojekt oder besser noch begleitete Umsetzungen, um die Vielzahl an Möglichkeiten gut zu kombinieren und aufeinander abgestimmt einzusetzen. Wir erhielten auch einen Erfahrungsbericht vom Gertrude-Fröhlich-Sandner Campus. Dort hatte es bis zu 30 Grad in den Klassen im heurigen Sommer. Der gewählte Außensonnenschutz, die Jalousien, ist nicht ausreichend. Dach- und Fassadenbegrünung fehlt.

Stadtklima und Windkomfort

Matthias Ratheiser – Weatherpark GmbH Meteorologische Forschung und Dienstleistungen
Matthias Ratheiser von Weatherpark GmbH Meteorologische Forschung und Dienstleistungen gab Auskunft zu Stadtklima und Windcomfort

Einrollbare Sonnensegel über Straßen könnten helfen, die Erhitzung des Asphalts zu minimieren. Sonnensegel können jedoch nur in emissionsfreien Straßen zum Einsatz kommen, d. h. ohne Auto- und Lkw-Verkehr mit fossilem Antrieb, da sich sonst die Abgase im Straßenraum stauen. Vielleicht wäre es möglich die Gehsteige durch Sonnensegel zu verschatten und damit ihr Aufheizen zu verringern, da diese im Nordbahnviertel oft sehr breit sind und – weil oft unverschattet – auch viel Hitze speichern.

Straßen im Sommer effektiv durch Wasser zu kühlen, entweder durch Nassmachen der Straße mit Straßenfahrzeugen oder Nebelduschen, ist keine empfehlenswerte Maßnahme, da hierfür sehr viel Wasser notwendig ist.

Der Kühleffekt durch große Grünräume ist oft geringer als geglaubt. In Parks ist die Luft durch Wiesen und Bäume grundsätzlich kühler. Die Kühlwirkung von Parks auf ihre Umgebung ist aber auf wenige Straßenzüge begrenzt, da die Luftströmung generell sehr schwach ist und durch Häuser aufgehalten wird. Rings um Parks sollte daher niedrig bebaut und in weiterer Entfernung erst in die Höhe gegangen werden, um diesen Park-Kühl-Effekt besser ins Grätzl ausweiten zu können. Diese Bauweise wäre natürlich mit Belichtungsanforderungen und anderen Aspekten abzustimmen. Daneben haben begrünte Innenhöfe für das Mikroklima einen kühlenden Effekt auf die angrenzenden Wohnungen.

Versiegelte Straßenräume, vor allem große zusammenhängende versiegelte  Flächen, wie z. B. der Vorplatz der WKO oder auch breite, unbeschattete Straßenzüge, wie etwa die Vorgartenstraße speichern die Hitze und tragen somit stark zum Hitzestau im Grätzl bei. Neben des hohen Versiegelungsgrades des Viertels wird von den Anwesenden die Asphaltierung sämtlicher Straßen und Wege kritisiert, die oftmals mit sehr dunklem Asphalt erfolgt. Gewünscht werden mehr Kieswege wie z. B. die Verbindungsgasse zwischen Engerthstraße und Vorgartenstraße neben dem Hofer. Im 2. Bezirk in der Rustenschacheralle sind beispielsweise die Stellflächen für Autos entlang der Straße nur mit Kies ausgeführt. Generell sollten oberirdisch keine Auto-Stellplätze vorgesehen werden, da die Autos den Straßenraum verstellen und durch ihren Hitzeeintrag das Grätzl aufheizen. Wenn überhaupt sollten nur punktuell Kurzparker ermöglicht werden. Weiters wurde angeregt auf bereits versiegelte Flächen, die aufgrund von Leitungen etc. darunter nicht geöffnet und bepflanzt werden können, große Tröge mit entsprechender Bepflanzung zu stellen. Mehrere begehbare Brunnen auf großen und stark versiegelten Flächen wie z. B. der Bruno-Marek-Allee oder dem Vorplatz des Christine Nöstlinger Campus und weiteren Orten wurden von den Teilnehmer*innen vorgeschlagen, statt temporärer “Wasserspiel”-Aufstellungen, wie beispielsweise im Rudolf-Bednar-Park diesen Sommer geschehen.

Tischgespräche

Vielen Dank an alle Teilnehmer*innen für die angeregten Diskussionen und interessanten Beiträge und vielen Dank ans Wohnprojekt Wien, dass uns immer wieder Raum gibt und solche Veranstaltungen ermöglicht.

Autorinnen der Nachlese: Judith Schübl, Beatrice Stude und Irmi Walli

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