Lange Zeit war es still um den Mistplatz an der Innstraße. Zu still nach unserem Geschmack. Hinter den Kulissen hörte man immer wieder: „Mal abwarten, wenn in der Leopoldstadt wieder die SPÖ den Bezirksvorsteher hat, dann wird der gebaut.“ Denkste!
In einem Artikel der Bezirkszeitung beschreibt der zukünftige Bezirksvorsteher Alexander Nikolai der SPÖ Leopoldstadt seinen Wunsch nach der Wiederöffnung des Mistplatzes auf der Dresdnerstraße.
Was hat es damit auf sich? Der Mistplatz ist seit Monaten geschlossen. Die MA48 findet, der Mistplatz ist zu klein um ihn nach den Coronavorschriften zu betreiben. Praktisch, will man ihn ja schließen und an der Innstraße viel größer neu bauen. Aber nicht mit der Bevölkerung, nicht mit allen Parteien der Leopoldstadt und nicht mit dem neuen Bezirksvorsteher Alexander Nikolai. Und das kam so:
Wir haben das Thema absichtlich nicht vor der Wien Wahl 2020 gebracht. Man weiß ja nie was man damit auslöst.
Und gut war es, denn trotz Wahlkampf, gab es einen Schulterschluss aller Parteien. Die Grünen Leopoldstadt haben als Bezirksvorstehung einen Antrag zur Erweiterung des bestehenden Mistplatzes an der Dresdnerstraße eingebracht, der von allen Parteien angenommen wurde. Vor allem die Unterstützung der SPÖ Leopoldstadt ist hier entscheidend. Denn wie vorauszusehen war, stellt sie nun mit Alexander Nikolai den Bezirksvorsteher.
Hier der Antrag. Er beinhaltet das Ersuchen den Mistplatz wieder aufzusperren und auch gleichzeitig auszubauen und zu modernisieren.


Die SPÖ Leopoldstadt hat sich mit der Zustimmung weit aus dem Fenster gelehnt und wurde auch mit einem Wahlerfolg belohnt. Deswegen sind wir hier auch sehr zuversichtlich.
Aktuell laufen die Koalitionsverhandlungen der SPÖ Wien mit den Neos Wien. Wir vermuten, dass der Mistplatz in den Koalitionsverhandlungen ein Thema sein wird. Man will sicher Nägel mit Köpfen machen. Die Bevölkerung setzt hier sehr auf den Einfluss der beiden neuen Gemeinderätinnen der Leopoldstadt Astrid Rompolt (SPÖ) und Selma Arapovic (Neos).
Für die MA48 ist das aber kein Beinbruch. Uns liegen schon längere Zeit die Ausbaupläne für die Dresdnerstraße vor. Sie decken sich im wesentlichen mit unserer Planungsidee, die wir weiter unten darstellen. Den Plan der MA48 können wir hier natürlich nicht veröffentlichen. Zeigen ihn aber auf Anfrage gerne persönlich her. Aber so ähnlich wie am Bild schaut es aus. Die MA48 war zwar nicht ganz so Platz sparend wie wir, sie benötigen mehr Platz Richtung Taborstraße, aber das geht sich ebenfalls aus.

Aber lasst uns zurückblicken und ein bisserl Licht in das viele Dunkel bringen.
Vor etwa drei Jahren, sind wir mit unserem Artikel zum Mistplatz am Nordbahnhof online gegangen. Darauf folgte einige Aufregung und schließlich die Absage der geplanten Widmung.
Das Widmungsverfahren hat sich dadurch verzögert und sollte im Mai 2018 abgeschlossen werden.
Bemerkenswert ist dabei, dass damals in der Gemeinderatsauflage zum entsprechenden Planungsausschuss 2018 der erweiterte Mistplatz an der Dresdnerstraße im Widmungsvorschlag eingezeichnet war. Sogar die SUP (Strategische Umweltprüfung) war hier schon korrigiert. Im letzten Moment gab es dann jedoch im Planungsausschuss dann eine Änderung und die möglichen Standorte auf Baufeld 3 und 4 wurden ausgenommen. Das deutet darauf hin, dass es auf Magistratsebene eine Zusage gab, aber diese politisch nicht bestätigt wurde.
Mit dieser wienerischen Kompromisslösung wurde dann Ende Mai 2018 die Widmung des Leitbildgebietes im Gemeinderat beschlossen. Auf diesen beiden Feldern gilt nun die alte bestehende Widmung „Gemischtes Baugebiet – GB“ mit einer Bausperre. Diese Bausperre kann natürlich aufgehoben werden, dazu braucht es aber eine Mehrheit im Planungsausschuss des Gemeinderates.
Die Entscheidung wurde somit vertagt und die nächste Regierung wird sich dieser annehmen. Diese Wahl war jetzt und die Koalitionsverhandlungen zwischen der SPÖ Wien und den Neos sind gestartet.

In den letzten Jahren waren wir natürlich auch nicht untätig und haben versucht den Informationsdschungel zu durchforsten. Denn eines haben wir schnell bemerkt. Man war sehr schnell mit “Das geht nicht” oder “Wir brauchen aber XYZ” und bei genauer Recherche stellten sich einige Dinge dann doch anders dar. Mit dem Artikel wollen wir einen sachlichen Überblick geben.
Einen Überblick über unsere Artikel findet ihr hier <Blogbeiträge zum Thema Mistplatz>
Warum wir uns für dieses Thema einsetzen, ist schnell erklärt. Die Frage wo der ideale Platz für sozialen Wohnbau ist, zwischen Dresdnerstraße und Schnellbahn, oder an einer Grünfläche, ist einfach zu beantworten. Wir haben im letzten Jahr auch niemanden gefunden, der dies anders sehen würde. Zusätzlich müssen die verlorenen Wohnflächen im Gebiet ausgeglichen, nachverdichtet werden. Und die Baufelder sind schon sehr dicht und am Limit.
Eine Nachverdichtung ist somit nicht vertretbar
Eigentlich sollte es doch eindeutig sein. Infrastruktur lieber an Lärmquellen, Wohnungen lieber an Grünraum. Gut dargestellt ist das in der SUP (Strategische Umweltprüfung) zur Widmung. (Seite 15ff) Dort werden die Umweltauswirkungen eines Entwicklungsvorhabens geprüft. Hier die Grafiken der MA22 zur Lärmbelastung:
Auch die SUP ist zum Thema Schienenlärm deutlich. Obwohl die Grenzwerte für „Gemischtes Baugebiet“ angenommen wurden, werden sie speziell im Bereich des jetzigen Mistplatzes ab 4m Höhe überschritten.
Beim Straßenlärm ist es nicht besser:
Auszug aus der SUP:
Die strategische Lärmkarte des Informationssystems Umweltgut der MA 22 (Berechnung 2012) zeigt, dass der Lden nur an der Nordbahnstraße und Dresdner Straße (sowie kleinen Teilbereichen der Innstraße) über dem
Schwellenwert von 60 dB liegt. Auch in der Nacht (Lnight) wird in diesen Bereichen der Schwellenwert von 50 dB überschritten.
Hier kann man also unbestritten annehmen, dass an der Grünfläche „Freie Mitte“ Wohnungen besser hinpassen als an vielbefahrene Straßen und Bahnlinien und eine Infrastruktur wie ein Mistplatz wohl dort besser aufgehoben wäre.
Wohnungen an den Grünraum, Mistplatz an der Dresdnerstraße erweitern.
Das geht! Es ist ausreichend Platz für einen modernen Mistplatz!
wir haben uns schon in unserer Stellungnahme mit den Alternativen beschäftigt. Hier wollen wir nochmals verstärkt auf die Gegenargumente eingehen.
– Der aktuelle Mistplatz an der Dresdnerstraße hat ausreichend Potenzial für eine Erweiterung
Wir haben oft gehört, dass man an der Dresdnerstraße keinen Platz für eine Erweiterung hat. Eine Antwort auf unseren Einwurf, dass hier 200m Platz sind, haben wir nicht bekommen.
Denn natürlich ist der Mistplatz aktuell klein und die Zufahrt ist durch die enge Einfahrt schwierig. Aber Mistplatz nutzt jetzt nur eine sehr kleine Fläche. Er kann sofort auf die doppelte Fläche erweitert werden. Die Tankstelle ist kein Hindernis. Man kann den bestehenden Vertrag ablösen, oder warten bis er abläuft. Das der Vertrag erst 2017 wieder verlängert wurde, sollte man allerdings schon hinterfragen. Somit werden auch etwaige Wohnbauten dort blockiert.

Durch den Höhenunterschied zwischen Gstetten & Boden kann man ohne viel Aufwand bequeme Ablademöglichkeiten für die NutzerInnen einrichten. Das ist so offensichtlich, dass man fragen muss, warum man diese Brachflächen nicht schon in den letzten Jahren genutzt hat.
Die MA48 hat bei den neuen Mistsplätzen wie Auhof oder Heiligenstadt eine ausgeklügelte Logistik. Durch tiefer gelegte Schütten, Verkehrstrennung etc. sind sie für die BenutzerInnen bequem zu verwenden. Angeblich geht das hier nicht. Nun, auch das haben wir uns angeschaut und siehe da, sowohl die Verkehrsschleife von Heiligenstadt als auch von Auhof (hier mit Anpassungen) lassen sich an der Dresdnerstraße umsetzen:
Somit wäre auch dieser Punkt geklärt.
Ein moderner Mistplatz ist durch eine Erweiterung an der Dresdnerstraße möglich.
Der Flächenverlust ist so ebenfalls minimal. Es entfallen 3 Baukörper mit knapp 15500m2 BGF (Bruttogeschoßfläche). Die restliche Fläche des Baufeldes muss sowieso neu organisiert werden, da hier ein Hochhaus reduziert wurde und durch das Schließen der Doppeltunnel auch ein wesentliches Element weg fällt.
Das ist eine vergleichbare Fläche wie man dadurch an der Innstraße / Freie Mitte retten könnte. Also, wenn man schon Wohnungen durch Infrastruktur ersetzt, dann doch bitte dort wo eh keiner wohnen will. Das klingt doch nach einem Deal, oder?
– Die Zufahrt zum Mistplatz ist nicht optimal. Aber natürlich möglich.
Hier muß man 2 Punkte unterscheiden.
Erstens die enge Einfahrt. Das wird durch neue Einfahrten behoben. Platz ist genug.
Zweitens die Straßenbahn Linie 2. Ein Teil der BesucherInnen des Mistplatzes muß, von Richtung Innstraße kommend, links über die Schienen abbiegen. Das ist in Kombination mit der aktuellen, engen Einfahrt natürlich ungut. Oftmals steht man zum Abbiegen, kann aber nicht, weil jemand aus der Einfahrt kommt. Eine breite Einfahrt entschärft die Situation massiv. Weiters gibt es natürlich in Wien zahlreiche, ungeregelte Linksabbieger bei Schienen, die tadellos funktionieren, z.b. entlang der Brünnerstraße. Hier werden oft tausende Wohnungen durch ungeregeltes Linksabbiegen versorgt.
Die einfachste Lösung ist aber, wenn man dieselben Zufahrtswege nimmt, wie für die notwendigen Garagen und Gebäudezufahrten auf Baufeld 3. Am besten man kombiniert beide Zufahrten.
Völlig aus Acht gelassen wird in der Diskussion aber, dass der Mistplatz vor allem eine lokale Bedeutung hat. Viele Menschen kommen zu Fuß oder mit dem Rad vorbei
Wenn man Garagen anfahren kann, dann geht das auch bei Mistplätzen.
– Innerstädtische Mistplätze müßen in Gebäuden integriert sein!
In unserer Stellungnahme gehen wir auf den Platzverbrauch ein. Im innerstädtischen Gebiet ist es unverantwortlich Infrastruktur flächig zu bauen und keine Mehrfachnutzung zuzulassen. Die Integration eines Mistplatzes innerhalb einer Gebäudestruktur mit z.b Gewerbe oder Sportnutzung schafft diesen Mehrwert.
Die Klimamusterstadt Wien braucht moderne, kluge und flächenschonende Konzepte für die Infrastruktur!
Auch hier war die Auskunft der MA48 „Das geht nicht.“ Nun, da braucht es nur einen Blick nach Ottakring zum Mistplatz der MA48, denn der ist überbaut. Wer nicht extra hinfahren will, hier ein paar Fotos:
Wir haben dazu natürlich auch mit Experten aus dem Baugeschäft gesprochen. Alle haben gesagt, „Das geht“, Einige würden das sofort machen.
Somit haben wir alle Punkte bestätigt, dass ein Ausbau des Mistplatzes an der Dresdnerstraße möglich ist.
Es ist Platz genug.
Die Zufahrt kann erfolgen.
Eine Überbauung ist möglich.
Aber auch der Nordwestbahnhof bleibt als Standort im Spiel. Dort sind die Baufelder viel größer als am Nordbahnhof und ein Mistplatz lässt sich noch leichter integrieren.
Eine weitere Kritik in unserer Stellungnahme war der enorme Flächenbedarf des Strukturgebietes, Mistplatz & Umspannwerk.
Zur Erinnerung, die Stadt Wien ist für den städtebaulichen Wettbewerb von einem Infrastrukturbedarf von 3600m² ausgegangen. Da wir annehmen, dass insbesondere die Stromversorgung vorausschauend geplant wurde, ist es unverständlich, warum nun der Platzbedarf so groß geworden ist. Umspannwerk von 3600m² auf 5500m² und der zusätzliche Mistplatz mit 6500m².
Beispielhaft dafür ist die Diskussion um die Zukunft des Fuhrparks der MA48 Garage in der Leystraße. An der Fläche ist ein Schulbau geplant. Die Einen argumentieren damit, dass nun dieser Schulbau durch die Verzögerung am Nordbahnhof blockiert ist. Andere Stimmen aus der Stadt, sagen aber wieder, dass der Fuhrpark zum neu geplanten MA48 Stützpunkt beim Rinterzelt kommt. Die Schule kann auf jeden Fall gebaut werden.
Eine weitere unklare Information gab es bzgl. des Umspannwerkes. Hier war auch von einem Bedarf für ein 380kv Umspannwerk die Rede. Diese Sache konnte aber sehr rasch geklärt werden. Die WienEnerige hat auf Nachfrage der Gebietsbetreuung erklärt, dass nur ein 110KV Umspannwerk geplant ist. Hier muss man natürlich sofort den Flächenbedarf in Frage stellen. Mit der ursprünglichen Größe (3600m²) versorgt man locker die zukünftige Stadtentwicklung im Bereich 2/20 Bezirk. Natürlich ist es vernünftig für die Zukunft Flächen zu reservieren. Wir nehmen an, dass dies auch die Intention hinter dem plötzlichen erhöhten Flächenbedarf ist. Allerdings sollte man dann auf keinen Fall einen Bebauungsplan erstellen, der mehr erlaubt als notwendig. Denn irgendjemand kommt sicher schnell auf die Idee, hier wirklich einen 120m langen und 9m hohen Blechriegel hinzustellen.
Ein Gerücht, dass die beiden 380KV Umspannwerke Floridsdorf & Simmerung über den Nordbahnhof verbunden werden, konnte uns auch niemand bestätigen. Es ist auch ziemlich unwahrscheinlich, dass hier eine 380KV Leitung mitten durch die Stadt gelegt wird. Beim einem der Nordbahnvierteltreffs war ein Energieplanungsexperte anwesend, der das bestätigt hat. Wenn es hier in weiterer Zukunft (20, 30 Jahre) Planungen gibt, dann wird hier am ehesten noch der Lobautunnel genutzt. Somit muss man den angenommenen Bedarf für das geplante Umspannwerk hinterfragen.
Erstaunlich ist, welche untergeordnete Rolle der soziale Wohnbau in der Diskussion spielt. Es scheinen die Anforderungen der Infrastruktur über allem zu stehen. Alle anderen ordnen sich unter. Wenn diese Infrastruktur so eine hohe Bedeutung hat, dann man muss man sie aber auch von Anfang an mitdenken. Und das ist am Nordbahnhof nicht passiert.